«Schattiges Plätzchen»

(eng.: shady spot)


Reportage for Frankfurter Allgemeine Zeitung, August 2024




In der Hallertau revolutioniert Josef Wimmer mit einer weltweit einzigartigen Agri-Photovoltaik-Anlage den Hopfenanbau. Diese innovative Lösung erzeugt sauberen Strom, spendet Schatten und schützt vor Hagel.
Wissenschaftlich begleitet, könnte dieses Projekt die Zukunft der Landwirtschaft nachhaltig prägen.

Manuel Gerhard Riedl ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Weihenstephan Triesdorf. Er forscht in der Agri-PV-Versuchsanlage und will herausfinden, wie die Pflanzen auf das Solardach reagieren.
Diejenigen Hopfenreben, die am darauffolgenden Tag zu Forschungszwecken geerntet werden sollen, werden markiert. Es werden Pflanzen unter Solarpanels mit denen ohne Beschattung verglichen. Einen Unterschied im Wuchs können auch Laien unter Anleitung erkennen. 
Hopfenbauer Josef Wimmer ist überzeugt vom Erfolg der Agri-PV-Anlage über seinem Hopfengarten. Die große Hopfenmaschine in einer Halle seines Hofs leistet seit Jahren gute Dienste und könnte bei Sonnenschein ebenfalls mit selbst produziertem Strom gespeist werden.
Messeinrichtungen des Hopfenforschungszentrum Hüll, um verschiedene relevante Kenngrößen für die Hopfenzucht zu ermitteln. Die Blattfeuchtigkeit wird direkt am Blattwerk gemessen.
In etwa sieben Meter Höhe sind die Solarpanele auf einer Spezialkonstruktion angebracht und leicht in Richtung Süden angewinkelt. Durch die Abstand zwischen den Reihen werfen sie keine Schatten aufeinander, was vor allem im Winter einen Vorteil gegenüber eines konventionellen Solarparks darstellt.
In den frühen Morgenstunden finden sich Manuel Gerhard Riedl und weitere Mitarbeiter des Hopfenforschungszentrum Hüll an der Agri-PV-Versuchsanlage ein. Er zeigt den Anwesenden, welche Hopfenreben für seine Forschung geerntet werden müssen und welches Vorgehen er sich überlegt hat.
Die Mitarbeiter des Hopfenforschungszentrum Hüll ernten den Hopfen mit einem Traktor und speziellen Erntemaschinen. Für Forschungszwecke werden immer nur zwanzig Reben auf einmal geerntet. Entgeht der Maschine einmal eine Hopfenrebe, so wird sie kurzerhand von Hand heruntergerissen und auf den Anhänger gelegt.
Die Konstruktion der Photovoltaik ist so gestaltet, dass sie nicht mit den Arbeiten im Hopfen-Anbau interferiert. Während der Ernte können die Maschinen wie gewohnt durch die Hopfenzeilen fahren. Am Boden werden die Pflanzen, mitsamt ihrer Rankhilfe, durchgeschnitten und durch die Fahrtbewegung des Traktors von dem Drahtgeflecht abgerissen. Die Hopfenrebe landet auf dem Anhänger.
Anton Lutz ist Hopfenzüchter am Hopfenforschungszentrum Hüll und ist skeptisch, ob sich die Beschattung durch die Solarpanele positiv auf den Hopfenertrag auswirkt. “Der Hopfen soll kein Alibi für eine einfachere Genehmigung für eine Solaranlage sein.”, sagt er.
An einem anderen Hang, etwas nördlich der Agri-PV-Versuchsanlage steht bereits der größte Teil eines weiteren solchen Hopfengarten: Mit stärker angewinkelten Solar-Modulen will man ganzjährig mehr Energie erzeugen. Dank eines größeren Abstands lassen sich steilere Winkel umsetzen.
An manchen der Stahlpfeiler hängen, überdacht durch Solar-Module, weiße Metallkästen. In dem Fall handelt es sich um einen Wechselrichter. Bei starker Sonneneinstrahlung legt sich das Geräusch der Lüfter dieser Geräte wie ein Summen über den ganzen Hopfengarten: Hopfenbauer Josef Wimmer nennt das als sein Lieblingsgeräusch, denn das bedeutet, dass die Anlage in dem Moment sehr viel Strom erzeugt.
Manuel Gerhard Riedl hat das Projekt bereits als Bachelorprojekt begleitet. Die Chancen, die der Hopfenwirtschaft durch eine solche Anlage gegeben sind treiben auch seine Forschung voran. Er schreibt auch seine Masterarbeit darüber. 
Noch feuchte Hopfendolden laufen über Förderbänder, während sie in einer großen (Hopfen-) Maschine vom Rest der Pflanze getrennt wurden.
Direkt neben der Agri-PV-Anlage stehen zwei kleine Häuschen. Darin befinden sich die Gerätschaften und die Einspeisemöglichkeit in das örtliche Stromnetz.
Während der Hopfenernte ist Hopfenbauer Wimmer mit einer Hand voll Gastarbeiter*innen und seiner Familie in ihrem Betrieb eingespannt. Die Arbeit ist trotz des Einsatzes von Spezialmaschinen kräftezehrend. Damit sich die Arbeit noch mehr für sie lohnt, will er bald noch mehr seines Hopfenbestands mit Photovoltaik ausstatten.
Zupft man alle Blättchen von einer Hopfendolde ab, soll nur der Strunk in der Mitte zurückbleiben und noch elastisch sein: Dann ist die Trocknung ideal. Eine gewisse Restfeuchtigkeit soll bleiben.
Der trockene Hopfen fällt durch große Klappen nach der Trocknung ein Stockwerk tiefer. Hier in der Darre ist die Luftfeuchtigkeit hoch und die Hitze der Trocknungsanlage macht die Arbeit noch schwerer. Die Trocknung überwacht der Hopfenbauer zusammen mit seinem Vater, der nicht nur seine jahrzehntelange Erfahrung mit einbringt, sondern auch mit anpackt.
Nachdem eine Hopfenzeile abgeerntet wurde reisst ein Erntehelfer die letzten Reste vom Hopfengarten. Wenn die Anlage nun “leer” steht, kommt ein weiterer Vorteil zum tragen: Die Agri-PV-Anlage erzeugt schließlich auch dann Strom, wenn der Hopfen weg ist.





In der Hallertau, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt, wird ein innovatives Projekt zur Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels getestet. Josef Wimmer, ein Hopfenbauer aus Neuhub bei Au in der Hallertau, hat in Zusammenarbeit mit dem Solarunternehmen Agrar-Energy eine Agri-Photovoltaik-Anlage (Agri-PV) über seinem Hopfengarten installiert. Diese Anlage ist weltweit die erste ihrer Art und dient drei Hauptzwecken: Sie erzeugt Strom, spendet Schatten für die Hopfenpflanzen und schützt sie vor Hagel. Soweit die Idee: Das Projekt wird wissenschaftlich vom Hopfenforschungszentrum Hüll und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf begleitet. Verschiedene Messinstrumente dokumentieren das Mikroklima unter der PV-Anlage, die Luftfeuchtigkeit, die Feuchtigkeit auf den Blättern und die Saugspannung der Wurzeln. Zwei verschiedene Hopfensorten, „Herkules" und „Hallertauer Tradition", werden unter der Anlage angebaut, um zu erforschen, welche Sorte besser mit der Beschattung zurechtkommt.

Allerdings muss zudem geprüft werden, ob die Doppelnutzung durch Solar und Landwirtschaft nicht am Ende zulasten der Landwirtschaft geht. Im Idealfall wäre es eine Win-Win-Situation. Manuel Riedel, der seit einiger Zeit daran forscht, ist ebenso skeptisch wie Anton Lutz, der das ganze aus den Augen eines Hopfen-Züchters betrachtet.
Es wird sich zeigen, inwiefern das Solardach nicht den Hopfen als Alibi unter sich birgt, um den Genehmigungsverfahren für einen reinen Solarpark zu umgehen. Doch selbst in dem Fall kann es eine echte Chance für das Hopfenanbaugebiet sein, trotz Klimaerwärmung und internationaler Konkurrenz weiterhin die wichtigste Instanz der globalen Hopfenproduktion zu bleiben. Wenn obendrein noch ein wichtiger und erheblicher Beitrag zur Energiewende geleistet werden kann - und danach sieht es in jedem Fall aus - sollte der nächsten Evolution des Hopfenanbaus nichts mehr im Wege stehen. Denn neben der Stromerzeugung soll die Anlage helfen, den Boden feucht zu halten und die Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen zu schützen. Hopfenbauer Josef Wimmer hatte in der jüngeren Vergangenheit erheblichen Ernteausfall durch Hagelschaden, dagegen hilft das Solardach. Und besonders in heißen und trockenen Sommern könnte die etwas höhere Luftfeuchtigkeit Vorteile bringen.

Die Agri-PV-Anlage ist ein Vorzeigeprojekt und hat bereits Interesse bei anderen Hopfenbauern geweckt. Trotz einiger Herausforderungen, wie der begrenzten Netzkapazität für die Einspeisung des Stroms, plant Wimmer, die Anlage auszubauen und weitere Flächen mit Solarmodulen zu überdachen. Im Frühjahr 2025 standen bereits die ersten Unterkonstruktionen für die nächste Generation einer solchen Anlage. Das Projekt zeigt, wie innovative Lösungen in der Landwirtschaft helfen können, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern und gleichzeitig nachhaltige Energie zu erzeugen.












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